Wann ist der richtige Zeitpunkt dem Beruf den Rücken zu kehren?

Anlass für diese Frage ist der Besuch eines Konzerts von einem meiner großen Gitarrenvorbilder am vergangenen Sonntag: John McLaughlin, Jahrgang 1942. Dieser Abend im Park des Schlosses Neuhardenberg hat mich berührt und beseelt zugleich.

Seit 40 Jahren bin ich als Trainer und Berater tätig. Ich liebe diesen Beruf und betrachte ihn eher als meine Berufung, denn als einen Beruf.
Zahlreiche Menschen und Unternehmen halten mir seit Jahrzehnten die Treue und holen mich nach wie vor an Board, um ihre Führungskräfte in ihren Kompetenzen zu stärken und mit den Verkaufskräften deren Erfolge zu steigern. Etliche namhafte Keynotespeaker*innen und  erfolgreiche Trainer*innen durfte ich zur Verbesserung ihrer Performance inspirieren. Auf das alles bin ich stolz und dafür bin ich zutiefst dankbar. Ihr alle gebt meinem Leben einen wichtigen Teil seines Sinns.

"Und wann gehst Du in Rente?"

Die Kehrseite dieser jahrzehntelangen Tätigkeit ist allerdings, dass ich jedes  Jahr ein bisschen öfter mit ansehen muss, wie sich immer mehr dieser langjährigen Kund*inne*n in den Ruhestand verabschieden. Auch in meinem Freundeskreis steigt die Zahl derer stetig an. Das alles halt ich ja noch aus. Richtig befremdlich wird es für mich allerdings, wenn mich Menschen aus meinem privaten und beruflichen Umfeld fragen: Und wie lange machst Du noch? Wann ist es bei Dir so weit? Wer mich allen Ernstes fragt, wann ich in Rente gehe, der kann mich nicht kennen. Und jedes Mal, wenn mich eine dieser Fragen nach dem Ruhestand ereilt muss ich an ein Zitat von Charles Kettering, dem Erfinder des Autoanlassers denken. „Ich beschäftige mich deshalb so viel mit der Zukunft, weil ich den Rest  meines Lebens in ihr verbringen werde.“

Die Antwort auf die Eingangsfrage ist mir im Konzert ganz klar geworden.

Während ich vergangenen Sonntag im Park von Schloß Neuhardenberg die Klänge von John McLaughlin und seiner Band genoss, kam mir die für mich stimmige Antwort in den Sinn auf die Frage: Wann ist der richtige Zeitpunkt, dem Beruf  den Rücken zu kehren? Dieser Gitarrist ist 80 Jahre. Schon ab 1963, also mit 21 Jahren, spielte er mit Ginger Baker und Jack Bruce in der Graham Bond Organization. Schon damals machte er auf seine aussergewöhnliche Virtuositöt aufmerksam. Und auch heute noch gleitendie Finger des Meisters mit einer faszinierenden Schnelligkeit und Geschmeidigkeit über sein Instrument. Würdevollen Schrittes läuft er von Musiker zu Musiker, um sie zu stimulieren und mit ihnen in Harmonien zu kommunizieren. Durchdrungen von den Rythmen beherrscht er sein Spiel und das Zusammenspiel mit einer Präzision und Perfektion, die ijedem Augenblick leicht zu sein und Spaß zu machen scheint.

Und in den Gesichtern der meisten Zuschauer*innen sieht man durchgängig ein und dieselbe  Mimik: Ein irgendwo zwischen Freude und Verzückung angesiedeltes beseeltes Lächeln. Genau da kam mir die Antwort und der Gedanke in den  Sinn, wann der richtige Zeitpunkt ist, dem Beruf den Rücken zu kehren:

So lange es gelingt, in Menschen Saiten anzuschlagen, die ein solches Gefühl auslösen, wie dieser Gitarrist es vermag, so lange sollte man seiner Berufung weiterhin folgen, seinen Beruf ausüben und dem  Ruhestand eine vorläufige Absage erteilen. Was meint Ihr?

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